Schule neu denken: Wir brauchen mehr „Wir“ - CSP-Delegation besucht „Schule der Zukunft“ in Soest
Eupen, 31. Januar 2019. Keine Hausaufgaben, kein Klingelzeichen, zwei Lehrer pro Klasse oder ein Schulhund sind nur einige Besonderheiten der Hannah-Arendt-Gesamtschule in Soest. In der vergangenen Woche besuchten CSP-Spitzenkandidat Colin Kraft und die Eupener Lehrerin Adna Mudzelet, Mitglied des CSP-Kompetenzteams „Bildung“, die oftmals ausgezeichnete Schule. Inspiriert kamen sie zurück: Fazit: „Man muss es nur machen!“.
„Die Hannah-Arendt-Gesamtschule zeigt, dass wir Schule neu denken können, und es auch funktioniert“, stellt Colin Kraft, selbst Deutschlehrer, nach seinem Besuch klar. Der Kontakt kam nach einem Radiobericht zu Stande, in dem die Schule als Preisträger „Gesunde Schule“ 2018 des Landes NRW porträtiert wurde.
Neben dem Austausch mit Direktorin Kerstin Haferkemper, der didaktischen Leiterin Dr. Maria Kirsch und dem Vertreter des Lehrerrates, Frank Bernhardt, stand das Erleben des gesamten Schultages auf dem Programm. Die Grundlage der reformpädagogisch ausgerichteten Schule ist vor allem Partizipation aller Beteiligten. Jedes Personalmitglied und so ziemlich jeder Schüler tragen in irgendeiner Form dazu bei, dass das Schulleben funktioniert. Das Engagement kann vielseitig eingebracht werden: Lern- oder Fördergruppe, Sport-Teams, Pausen-DJ, Vertrauenslehrer, etc.
Die didaktische Organisation ist über alle Schuljahre mit den jeweiligen Kompetenzzielen abgesteckt und wird innerhalb des Lehrerkollegiums für ein komplettes Schuljahr geplant und mit Leben gefüllt. Zudem werden die Tests gesamtheitlich koordiniert. Somit haben die Wochen abwechselnd einen wissenschaftlichen oder sprachlichen Schwerpunkt. „Die Klassenlehrer einer Klasse haben ein gemeinsames Arbeitslehrerzimmer – das sogenannte Teamzimmer. Das macht die Arbeit unheimlich effizient. Zudem unterstützt die Koordination der Tests auch die Eltern in ihrer Planung“, staunte Adna Mudzelet über die Organisation der Schule. Jede Klasse wird nicht von einem, sondern von zwei Lehrern geleitet, was die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt. Der Erfolg gibt der Schule recht. „Man muss es nur machen“, so Adna Mudzelet, die selbst an der Pater Damian Sekundarschule in Eupen Wirtschaft unterrichtet.
Neben den üblichen Klassenzimmern hat jede Jahrgangsstufe einen eigenen Aufenthaltsraum für Pausen und Freistunden. Zudem gibt es weitere Arbeits- und Medienräume sowie sogenannte Differenzierungsräume, die den Lehren die Möglichkeit geben, forder- und förderbedürftige Schüler während des Regelunterricht individuell zu unterrichten. „Die verschiedenen Möglichkeiten der Infrastruktur sind auf die Bedürfnisse der Schüler und Lehrer für Unterricht und Freizeit zugeschnitten. Da gibt es in der DG noch viel Luft nach oben“, bemerkt Colin Kraft.
Die Pausen sind nach den Wünschen der Schüler organisiert. Neben einem Billard- und Kickertisch, gibt es einen Esssaal mit Polstermöbeln, Bistro- und Sitzecken, wo selbst der Schulhund, der im Inklusionsunterricht eingesetzt wird, auf seine Kosten kommt.
Während der Pause legen zwei Schülerinnen Musik auf und es gibt jeden Tag für etwas mehr als drei Euro ein Fleisch- oder Veggie-Gericht mit Buffet-All-You-Can-Eat mit Selbstbedienung. Die Buffetwagen werden von Schülern betreut und verfügen neben einer Salatauswahl, Reis, Nudeln, Saucen, Gemüse und Aufläufe auch über Desserts und Obst. Wasser gibt es kostenlos. Stress? Fehlanzeige, da die Stufen unterschiedliche Pausenzeiten haben. Nach einer Stunde, klappt auch ohne Klingelzeichen, kommt auch die Oberstufe pünktlich dazu und erhält die Gerichte (inkl. All-You-Can-Eat) für einen Euro. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alles. Der Preis sorgt aber dafür, dass die Schüler trotzdem kommen und wir somit weniger bis gar keine Reste haben“, erklärt eine Küchenkraft.
Nach Schulende gibt es für die Schüler noch zahlreiche Möglichkeiten, sich Lerngruppen anzuschließen, bevor sie sich auf den Heimweg machen. Hausaufgaben gibt es nicht. Lediglich für Vokabeln, Lektüre und Vorbereitung auf Tests dürfen Aufgaben erteilt werden. Das aber auch nur bedingt, da Tests jeweils einen gewissen zeitlichen Abstand haben müssen.
Auch für politische Partizipation ist gesorgt. Einmal pro Woche gibt es den sogenannten „Klassenrat“, in dem sich die komplette Klasse inkl. Lehrer in ein kleines Klassenparlament verwandelt. Dort werden dann gleichberechtigt nach klaren Regeln alle inhaltlichen und organisatorischen Herausforderungen, Probleme oder kommende Klassenprojekte diskutiert und demokratisch abgestimmt.
„Durch Innovation und konsequenter Partizipation schafft die Schule ein „Wir“-Gefühl, das jeden Schüler und auch Lehrer mit der Schule identifiziert“, stellt Colin Kraft fest und erkennt viel Potenzial für die ostbelgischen Schulen. „Unser Besuch war sehr inspirierend. Von den Möglichkeiten ist vieles ähnlich. Allerdings wird der Alltag komplett anders und mit weniger Stress angepackt. Und es ist toll zu sehen, dass es funktioniert.“